Das Reizdarmsyndrom, auch IBS (engl. Irritable Bowel Syndrome) genannt, ist fast schon zu einer „Trenddiagnose“ geworden. Es ist die am häufigsten gestellte Diagnose bei Beschwerden des Magen-Darm-Traktes wie Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. Die richtige Ernährung spielt eine entscheidende Rolle, um die Symptome zu lindern und ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Erfahre in diesem Artikel, was sich hinter der Diagnose „Reizdarm“ verbergen kann und wie Du die ersten Schritte gehst, um herauszufinden, welche Ursachen hinter Deinen Symptomen stecken, um sie zu lindern.
Durchfall, Verstopfungen und Blähungen: Definition und Beschwerden des Reizdarmsyndroms
Wiederkehrende Durchfälle, Verstopfungen, Blähungen, Bauchschmerzen und diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind typische Symptome des Reizdarmsyndroms. Durchfall tritt häufig plötzlich und in Form von ungeformten Stühlen auf, während Verstopfungen durch harten oder seltenen Stuhlgang gekennzeichnet sind. Die Blähungen können mit starken Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen usw. einhergehen. Das Reizdarmsyndrom tritt häufig auch in Verbindung mit psychischen Symptomen auf wie beispielsweise Ängsten oder depressiven Verstimmungen.
Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Störung des Darms. Das bedeutet, dass keine organischen Ursachen nachgewiesen werden konnten. Leider wird diese Diagnose viel zu häufig vergeben, ohne dass bestimmte diagnostische Mittel wie eine Stuhluntersuchung genutzt wurden. Die Betroffenen sind durch die wiederkehrenden Beschwerden meist stark in ihrem Alltag beeinträchtigt. Eine gezielte Therapie kann jedoch Linderung verschaffen.
Eine Intoleranz kommt selten allein: Fructose, Lactose, Sorbit und Gluten
Bei einem Reizdarm treten oftmals gleichzeitig Probleme mit verschiedenen Nahrungsmitteln auf. Fruktose, Laktose und Gluten sind nur einige Beispiele für mögliche Unverträglichkeiten. Menschen, die an einer Fruktoseintoleranz leiden, vertragen den natürlichen Fruchtzucker in Lebensmitteln nicht. Bei Laktoseintoleranz kommt es zu Beschwerden nach dem Verzehr von Milchprodukten. Hier sollte auf laktosefreie Milch und Milchprodukte umgestiegen werden. Sorbit ist ein chemisch gewonnener Zuckeralkohol. Lebensmittel mit hohem Sorbitgehalt wie einige Obst- und Gemüsesorten (z. B. Pfirsich, Weintrauben, Kirschen, Fenchel, Paprika), alkoholische Getränke, Süß- und Wurstwaren etc. sollten hier auf individuelle Verträglichkeit geprüft und ggf. aus dem Speiseplan gestrichen werden. Die Glutensensitivität betrifft Personen, die glutenhaltige Getreide wie Weizen, Roggen oder Gerste nicht vertragen. Individuell werden bei der Glutensensitivität kleinere Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel gut vertragen. Davon abzugrenzen ist die Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie, eine Autoimmunerkrankung, bei der Bestandteile des Glutens eine Autoimmunantwort im Darm triggern, wodurch die Darmschleimhaut angegriffen wird. Diese wird vererbt und die Patient*innen sollten auch auf kleinste Mengen glutenhaltiger Lebensmittel verzichten.
Ein Ernährungstagebuch kann helfen, Zusammenhänge zwischen bestimmten Lebensmitteln und Symptomen aufzudecken. Für Menschen mit Reizdarm ist wichtig, diese Unverträglichkeiten ernst zu nehmen und eine entsprechende Ernährungsumstellung vorzunehmen.
Diese Ursachen können hinter einem Reizdarm stecken
Patient*innen, die mit „Reizdarm“ zu mir in die Praxis kommen, sind oft einen langen Weg über verschiedene Ärzte gegangen. In vielen Fällen wurden bereits Unverträglichkeiten, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder auch Zöliakie ausgeschlossen. Die Patient*innen und Ärzte verbleiben ratlos. Für eine kausale Therapie ist es wichtig, die Ursache einer Erkrankung zu finden. Was also kann sonst noch dahinter den Reizdarmsymptomen stecken, wenn die Ärzte nichts finden konnten?
Dysbiose, SIBO, Entzündungen
Je nach Symptomatik empfehle ich meinen Reizdarmpatient*innen als erstes eine Stuhl- oder Atemgasdiagnostik. Damit können verschiedene Ursachen eines Reizdarm ausgeschlossen werden. Eine Dysbiose ist eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dickdarms. Im gesunden Darm leben die dort ansässigen Bakterien mit uns Menschen in einer Symbiose, also zum beiderseitigem Vorteil. So trainieren diese symbiotisch lebenden Mikroben unser Immunsystem, halten Krankheitserreger fern und produzieren wichtige Stoffwechselprodukte und Enzyme, die wir zur Aufnahme von Mikronährstoffen und Vitaminen benötigen. Als Gegenleistung erhalten die Bakterien von uns Nahrung in Form von Ballaststoffen sowie eine angenehm saure Lebensumgebung. Bei vielen Reizdarmpatient*innen ist die mikrobielle Zusammensetzung verändert. So entstehen Probleme wie Entzündungen, Unverträglichkeiten oder ein Leaky Gut. Zudem können sich krankheitserregende Keime schneller im Darm ansiedeln.
Ein Atemtest kann zudem eine SIBO (small intestine bacterial overgrowth), auch Dünndarmfehlbesiedlung genannt, anzeigen. Dabei wandern Bakterien aus dem in den ansonsten nur gering besiedelten Dünndarm ein und sorgen durch ihren Stoffwechsel für Probleme wie starken Blähbauch oder Durchfall.
Je nachdem, welche Bedingungen im Darm vorliegen, kann eine gezielte Therapie sowie die Anpassung des Lebensstils und der Ernährung die Reizdarm-Symptome lindern.
Ist die Einnahme von Probiotika beim Reizdarmsyndrom sinnvoll?
Beim Reizdarm kann die Einnahme von Probiotika sinnvoll sein. Doch ich würde dies nur nach erfolgter Stuhldiagnostik mit Bestimmung der Darmflora empfehlen, um kein bestehendes Ungleichgewicht zu fördern. Besser ist die gezielte Auswahl probiotischer Präparate gekoppelt mit einer individuell passenden Ernährung, damit sich die gesunden Bakterienstämme auch langfristig wohlfühlen.
Für wen ist die FODMAP-Diät geeignet?
Die FODMAP-Diät ist eine spezielle Diät, die darauf abzielt, bestimmte, normalerweise gesunde Kohlenhydrate zu reduzieren. FODMAP steht dabei für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole. Lebensmittel mit hohem FODMAP-Gehalt sind beispielsweise Weizen, Zwiebeln, Knoblauch, Milchprodukten und einige Obst- und Gemüsesorten (Birne, Mango, Nektarine, Pflaume, Artischocke etc.). Indem man die FODMAP-reichen Lebensmittel reduziert, können unter bestimmten Umständen Reizdarmsymptome gelindert werden. Die FODMAP-Diät sollte jedoch nur unter therapeutischer Begleitung durchgeführt werden, da sie nicht für jeden geeignet ist und – falsch durchgeführt – zu einer Mangelernährung führen kann. Im Internet wird eine FODMAP-arme Ernährung oft pauschal bei Reizdarm empfohlen. Davon kann ich nur abraten. Eine FODMAP-arme Ernährung eignet sich nur für die Dauer von vier bis acht Wochen, wenn eine Fehlbesiedlung im Dünndarm, also eine SIBO vorliegt.
Ernährung bei Reizdarm: Das solltest du beachten
Pauschale Ernährungsempfehlungen lassen sich bei Reizdarm nicht aussprechen. Der Ernährungsplan sollte individuell zusammengestellt werden und sich danach richten, was verträglich ist und die Verdauung nicht zu stark belastet. Während beispielsweise Ballaststoffe bei Patient*innen mit SIBO zu starkem Blähbauch führen können, sind sie ansonsten für die Darmgesundheit essentiell wichtig.
Do’s bei Reizdarm
- Führe für mindestens eine Woche ein genaues Ernährungstagebuch. Halte alle Deine Mahlzeiten und alle Zutaten, Snacks und Getränke fest. Schreibe auch Deine Symptome und Beschwerden auf. So kannst Du herausfinden, ob und auf welche Nahrungsmittel Du reagierst. Beschwerden müssen nicht immer gleich nach einer Mahlzeit, sonder können auch erst Stunden bis Tage danach auftreten.
- Wenn Du vermutest, dass Du Unverträglichkeiten hast, lasse von einem Therapeuten (Gastroenterologe oder Heilpraktiker) eine mögliche Fruktose-, Laktose- und Sorbit-Unverträglichkeit mittels eines Atemtests abklären. Lasse Dich bei Bedarf auch auf eine Glutensensitivität testen.
- Passe Deine Ernährung vorerst entsprechend der Unverträglichkeiten an. Manche Unverträglichkeiten können sich durch eine gezielte Darmtherapie wieder zurückbilden.
- Gib Dich nicht mit der Diagnose Reizdarm zufrieden. Hinter Deinen Beschwerden stecken wahrscheinlich Ursachen, die über einfache Laboruntersuchungen gefunden werden können.
- Reizdarm-Symptome werden unter chronischem Stress meist stärker. Finde heraus, was Dich stresst und was Dir Erholung schenkt und passe dementsprechend Deinen Lebensstil an. Beachte, dass in unterschiedlichen Stressphasen auch unterschiedliche Maßnahmen helfen können. Auch hier kann ein Tagebuch über einen gewissen Zeitraum helfen, Muster zu erkennen. Eine Psychotherapie kann hier ebenfalls hilfreich sein.
- Bewege Dich ausreichend und immer wieder über den Tag verteilt.
- Kümmere Dich um einen gesunden Schlaf.